Es sind bewegte Zeiten. Die Immobilienbranche sieht sich weiterhin schwierigen Rahmenbedingungen gegenüber; das Ergebnis sind stetig sinkende Baugenehmigungszahlen. Das jüngste Ampel-Aus der Bundesregierung verspricht ebenso wenig schnelle politische Abhilfe. Statt im Krisenmodus zu verharren, stellt sich die Branche selbst ihrer Verantwortung. Wie Strategien und Modelle aussehen können, wurde bei der 12. nordwestdeutschen Immobiliennacht des BFW Niedersachsen/Bremen thematisiert.
„Wir befinden uns inzwischen in einem Krisenmarathon, obwohl die Nachfrage an Wohnraum ungebrochen hoch ist“, mahnte Dirk Streicher, Vorstandsvorsitzender des BFW Niedersachsen/Bremen in seiner Eröffnungsrede. Er verwies darauf, dass sich die Branche selbst um Lösungen bemühen müsse. Dazu gehöre es, Trends zu beobachten und Nischen zu bekleiden. Mit Blick auf die anstehenden Wahlen verwies er in einem politischen Appel auf die jüngsten Ergebnisse des Sachverständigenrates. „Arbeit ist reichlich vorhanden, aber ohne politische Unterstützung wird es nicht gelingen. Wir brauchen niedrigere Baustandards, um das Bauen wieder bezahlbarer zu machen. Und genau hier liegt die Verantwortung der Politik.“
So reagiert die Landespolitik
Die Politik in Bremen und Niedersachsen nutze bereits Maßnahmen und Instrumente, um den Wohnungsbau zu erleichtern. „Die fordernden Zeiten begleitet der Bremer Senat mit entschiedenen Schritten für einfacheres, effizienteres und zukunftsfähigeres Bauen. Das Spektrum reicht von der Senatskommission Wohnungsbau über die weitere Novellierung der Bremischen Landesbauordnung bis zur Entschlackung der Planungs- und Bauordnungsverfahren“, so die Bremer Senatsbaudirektorin Professor Dr. Iris Reuther. Frank Doods, Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung, stimmt ein: „Wir sind uns einig, dass wir auch in Niedersachsen für mehr Wohnraum sorgen müssen. Dazu haben wir Anreize für die Bauwirtschaft geschaffen, wie beispielsweise die Änderung der Niedersächsischen Bauordnung und die Umsetzung des ‚Bau-Turbo-Paktes‘. Diese Instrumente helfen, neue Wohnangebote zu implementieren und Druck aus den Baukosten zu nehmen.“
Trends als Chance
Mark Holz, Head of Research bei Lübke Kelber, skizzierte die Investmentlandschaft aus Investorenperspektive. Mit fünf Thesen prognostizierte er, dass auch in angespannten Zeiten der Wohnungsmarkt attraktiv bleibe. Immobilienunternehmen, Bauträgern und Projektentwicklern riet er, den Markt genau zu analysieren. Neu aufkommende Trends und Wohnformen bieten der Branche Chancen. Gleichzeitig verändern sich Wanderungstendenzen innerhalb Deutschlands, was Märkte der zweiten Reihe dynamischer und attraktiver mache.
Mit dem Blick aus der Praxis erläuterte Carl Smeets, Leiter der Region West bei der BPD Immobilienentwicklung GmbH, wie Pragmatismus, Deregulierung und Beschleunigung der Planungsprozesse der Krise entgegensteuern. Back to basic – so das Erfolgsrezept der Niederlande, die bereits von 2008 bis 2013 eine schwere Wohnbaukrise bewältigen mussten. „Wir sind zuversichtlich, dass sich die Immobilienbranche in den nächsten Jahren erholen wird. Die aktuellen Zinssenkungen und Sonderabschreibungen im Wachstumschancengesetz geben hierfür einen Impuls in die richtige Richtung. Trotz dieser ersten positiven Tendenzen bleibt die Herausforderung dennoch bestehen: Wohnraum bezahlbar zu machen, vor allem für einkommensfinanzierende Käufer“, so der gebürtige Niederländer.
Wie man neue Strategien erfolgreich nutzt, zeigt sich am Beispiel der Viebrockhaus AG. Mit der Entwicklung ihrer „Powertown-Häuser“ besetzt das Unternehmen eine Nische: bezahlbarer Wohnraum in Serienbau, der energetisch allen Anforderungen entspricht und bei dem alle Fördermöglichkeiten gebündelt sind. Guido Attabra, seit 2019 Chief Business Development Officer bei Viebrockhaus: „Sozialverträglicher und klimafreundlicher Hausbau entspricht den Bedürfnissen der heutigen Zeit und leistet einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit und zum Wohle unserer Gesellschaft. Die langfristig erfolgreiche Umsetzung hängt maßgeblich vom politischen Willen zur Entbürokratisierung und Vereinheitlichung der föderalen Standards ab.“ Björn Jesse, Partner und Geschäftsführer bei Drees & Sommer SE, lenkt den Fokus auf die Dekarbonisierung. „CO2 wird die neue harte Währung im Bau. Es geht um wirtschaftliche und zugleich ökologische Lösungen. Dabei müssen wir Innovationen noch stärker und gemeinsam mit allen Akteuren vorantreiben.“ Dass Finanzierer innovativen Bauprojekten aufgeschlossen gegenüberstehen, bescheinigt Stefan Nökel, Senior Manager gewerbliches Immobiliengeschäft bei der Sparkasse Bremen AG.
Trotz der angespannten Lage stimmten Vorträge und Diskussionsrunden vorsichtig optimistisch, um die Talsohle zu durchschreiten. Was es dazu braucht, ist innovativer, unternehmerischer und politischer Gestaltungswille auf allen Seiten.
Weitere Eindrücke von der Immobiliennacht finden Sie in der Bildergaleriehttps://www.bfw-nb.de/aktivitaeten/veranstaltungen/veranstaltungsgalerien/immobiliennacht-2024/.
Bildquelle: Niklas Krug