Status quo im Wohnungsbau: Beginn einer rasanten Talfahrt

Die Neubauzahlen brechen ein, die Lage der Branche spitzt sich zu. Der BFW Niedersachsen/Bremen fordert Politik und Verwaltung zum Handeln auf.

Neben altbekannten Herausforderungen erschweren Zinssteigerungen, explodierende Energie- und Baupreise sowie die hohe Inflation die Bautätigkeit. Die anvisierten Neubauziele rücken in die Ferne, der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum ist hingegen ungebrochen hoch. Verschärft wird die Situation noch einmal mehr durch die Vielzahl an Geflüchteten, die auch in Niedersachsen und Bremen Schutz und langfristig sicheren Wohnraum suchen. Umso wichtiger wird der Austausch mit Politik und Verwaltung. Der BFW Niedersachsen/Bremen nutzte den diesjährigen Neujahrsempfang für das Gespräch mit den Verantwortlichen.

„Wenn nicht geplant wird, wird auch nicht gebaut. Es ist nicht nur an der Zeit, zu reden, sondern sofort und anders als bisher zu handeln“, mahnt Dirk Streicher, Vorstandsvorsitzender des BFW Niedersachsen/Bremen bei seiner Eröffnungsrede. Die Zahlen sind alarmierend. Aktuelle Umfragen des BFW und anderer Immobilienverbände belegen, dass bereits viele geplante Wohnungsbauvorhaben nicht mehr realisiert werden. Auch bereits begonnene Bauprojekte werden durch die stark gestiegenen Zinsen immer teurer. Der Bedarf an dem so dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum lässt sich unter den aktuellen Bedingungen nicht annähernd decken. Des Weiteren führen Beispiele wie die Vergabe von Grundstücken als Erbbraurechte, das Braunschweiger Baulandmodell, der Bremer Standard oder überzogene Anforderungen bei Konzeptvergaben im Hinblick auf Architektur und Städtebau nicht zur Entlastung der Situation. Statt nur zu klagen, liegen konkrete Lösungen zur Entschärfung der Situation seitens der Wohnungswirtschaft bereits vor. Dazu formuliert Streicher, der als Vorstandsvorsitzender der Delta Bau AG mit dem Blick aus der Praxis spricht, klare Forderungen:

  • Bereitstellung von günstigem Bauland
  • Baurechtschaffung für preiswerten und seriellen Wohnungsbau
  • Erteilung von Baugenehmigungen innerhalb von drei Monaten
  • Förderung von seriellem Bauen, um preiswert bauen zu können
  • Keine weitere Verschärfung von Bau- und Energiestandards

Dass auch der niedersächsische Bauminister mit den aktuellen Rahmenbedingungen für die Branche nicht zufrieden ist, machte Olaf Lies in seiner Ansprache deutlich. Er betonte jedoch, dass trotz des Baubooms der letzten Jahre zu wenig geförderter Wohnraum entstanden ist. „Von den angestrebten 4.000 Wohnungen sind 2.700 Wohnungen gebaut worden. Hier gilt es nachzulegen. Wir müssen mit den derzeit begrenzten Mitteln Prioritäten setzen und das ist derzeit der bezahlbare Wohnungsbau“, so Lies und verweist damit auf die Aufgaben einer Landeswohnungsgesellschaft. „Wohnen und Bauen ist auch eine staatliche Aufgabe, ähnlich wie die Sicherstellung der Energieversorgung.“ Sein Augenmerk gilt dabei nicht nur dem Neubau, sondern vor allem dem Umbau. „Das Umbauen muss einfacher werden. Wir müssen Standards schaffen, die Umnutzung möglich machen. Und wir brauchen Vernunftlösungen statt hoher Standards, die die Kosten weiter in die Höhe treiben.“ Dazu braucht es weiterhin die konstruktive Zusammenarbeit mit der freien Immobilienwirtschaft, die bereits im Bündnis für bezahlbares Wohnen sichtbar wird.

Auch Gabriele Nießen, Bremer Staatsrätin bei der Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau, legt den Fokus auf den Bestand: „Wir brauchen Antworten auf die neuen Herausforderungen, nicht nur im Neubau, sondern vor allem im Bestand und in der Qualifizierung von Quartieren.“ Dazu stellte sie den Bremer Stadtentwicklungsplan Wohnen vor, der als eine Art Handwerkskasten dazu beitragen soll, die Voraussetzungen für 10.000 Wohnungen bis zum Ende der Legislatur zu schaffen. In diesem Zuge sprach Nießen auch von einer nachhaltigen Bodenpolitik, die in Bremen mit den Themen Erbbau und Erbpacht einhergeht. Mit dem „Bremer Standard“ wurde aus Sicht des Bremer Senats zudem ein Orientierungsrahmen für neue klimaverträgliche Quartiere formuliert, der allen Akteuren in der Bauwirtschaft schon zu Beginn der Planungen Verlässlichkeit und Transparenz bieten soll.

Mit Blick auf Hannover zeigt Stadtbaurat Thomas Vielhaber die wohnungspolitischen Ziele der niedersächsischen Landeshauptstadt auf: Dazu zählen die Fortschreibung des Wohnkonzeptes, die Fortsetzung der hannoverschen Wohnungsbauoffensive und die Intensivierung des Bündnis für Wohnen. Bei den baupolitischen Zielen geht es vor allem um die Schaffung von neuem Planungs- und Baurecht, der Beschleunigung von Baugenehmigungen sowie die Förderung von seriellem Bauen. „Unsere Maßgabe ist es, ausreichende Wohnraumversorgung für alle Bevölkerungsgruppen zur Verfügung zu stellen, was unter den aktuellen Voraussetzungen weiter erschwert wird. Diese Zeiten erfordern einen neuen Blick auf Gewohntes. Umso wichtiger wird es, dass alle Wohnungsmarktakteure daran mitwirken.“

Bildquelle: Niklas Krug

 

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